Zahl der Drogentoten in Deutschland steigt
Drug Abuse
Der Spiegel
03.03.2009
Zahl der Drogentoten in Deutschland steigt
1449 Menschen kamen in Deutschland im vergangenen Jahr durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben - ein Anstieg um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere die Zahl der Erstauffälligkeiten gilt als "besorgniserregend" - und die ungebrochene Beliebtheit der Modedroge Kokain.
Berlin - Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist wieder deutlich angestiegen. 1.449 Menschen kamen 2008 durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben - 3,9 Prozent mehr als 2007. Diese Zahlen nannte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, am Dienstag in Berlin. In den kommenden Jahren sei mit einem weiteren Anstieg durch Folgeerkrankungen, wie Hepatitis C, zu rechnen.
19.203 Menschen seien im letzten Jahr erstmals als Drogenkonsumenten bei den Behörden aufgefallen. Mit dem Anstieg von rund drei Prozent sei der rückläufige Trend der Vorjahre gestoppt, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke.
Erstauffällige Konsumenten seien aber keine "Probierer" oder "Gelegenheitskonsumenten", sondern Menschen, die bereits seit Jahren süchtig sind, aber noch nicht auffällig wurden. Der Anstieg sei trotzdem "besorgniserregend", meinte Ziercke.
Nach seiner Einschätzung geht der Trend "weg vom schmutzigen Heroin" und hin zu Modedrogen wie Kokain. Denn zum ersten Mal seit Einführung der Statistik seien mehr Kokain- als Heroinkonsumenten auffällig gewesen.
Drogenbeauftragte Bätzing zeigte sich entschlossen, weiter hart gegen Drogen vorzugehen, die aus Genussmitteln gewonnen werden, wie die Kräuterdroge Spice. Seit kurzer Zeit falle Spice unter das Betäubungsmittelgesetz.
Zahl der älteren Drogentoten besonders hoch
Grund für den Anstieg bei der Zahl der Drogentoten seien besonders die vermehrten Todesfälle älterer Abhängiger. Die Hälfte der Drogentoten habe mehrere illegale Drogen zeitgleich konsumiert.
Hauptursache sei eine Überdosis gewesen. Rund 70 Prozent kamen im privaten Umfeld ums Leben. "Das Bild vom Drogentoten auf dem Bahnhofsklo gehört der Vergangenheit an", sagte Bätzing.
Bei der Sicherstellung von Drogen waren die Polizeibehörden besonders bei der Sicherstellung von Opium (+200 Prozent), Haschisch (+107,5 Prozent) und Marihuana (+136,9 Prozent) erfolgreich. Dagegen konnte weniger Kokain (-43,4 Prozent) und weniger Heroin (-53,2 Prozent) sichergestellt werden. Die Zahl der Kontrollen habe sich aber nicht stark verändert, nur die Menge sei in diesen Fällen geringer geworden, meinte Ziercke.
Kokain aus Mexiko und Afrika nach Deutschland
Ziercke wies in diesem Zusammenhang auch auf die Globalisierung des Drogengeschäfts hin. So seien ein Drittel der deutschen Cannabis-Plantagen in Nordrhein-Westfalen zu finden, um die Drogen später über die Grenze zu schaffen und in niederländischen "Coffeeshops" zu konsumieren. Darum sei eine nationale Statistik immer weniger aussagekräftig, sagte Ziercke.
Kokain erreiche den deutschen Markt vor allem aus Südamerika. Aus Kolumbien würden auch Mini-U-Boote eingesetzt, um Kokain nach Mexiko und in die USA und von dort weiter nach Europa zu schmuggeln. In diesem Geschäft würden besonders italienische Mafiaorganisationen mit Drogenkartellen in Südamerika zusammenarbeiten. Kokain erreiche den deutschen Markt aber auch über das Drehkreuz Frankfurter Flughafen aus Afrika.
Drogenbeauftragte für mehr Fixerstuben
Bätzing forderte, die Behandlung mit dem Heroin-Ersatzstoff Diamorphin auszubauen. Diamorphin bringe bessere Erfolge als die Behandlung mit Methadon. Nach vier Jahren Erfahrung mit Diamorphin habe es während einer Diamorphin-Therapie keine Toten gegeben, sagte Bätzing. Sie sagte zudem, dass Drogenkonsumräume zu einer Reduzierung der Todesfälle führe.
Bätzing wies auch auf die soziale und psychische Verelendung der Abhängigen hin. Rund ein Drittel der Opiatabhängigen hätten einen Suizidversuch hinter sich, erklärte Bätzing. Zu den Opiaten zählt auch Heroin.
Bei der Zahl der Drogentoten ergibt sich laut Statistik ein unterschiedliches Bild in den deutschen Großstädten. Während etwa in Dortmund, Essen, und Leipzig die Zahl der Toten deutlich zurück ging, stieg sie in Mannheim und Nürnberg an.